Ich hatte ehrlich gesagt noch nie zuvor von den Dolomiti Lucane gehört. Und bin inzwischen ein echter Fan davon. Zum einen gibt es hier eine wundervolle Landschaft ähnlich den Dolomiti im Norden Italiens und zum anderen traumhaft schöne Dörfer, besonders bei Nacht. Vom Gargano ging es für uns über einen kleinen Umweg hierher. Wir sind zunächst von Rodi Garganico aus nach Süden gefahren. In der wunderschönen Hafenstadt Trani trafen wir uns dann erst einmal auf ein Eis mit Piero. Er wohnt in Bari und kennt sich hier bestens aus. Wir machen einen kleinen Rundgang durch die Stadt bevor wir dann noch eine sciaquetta trinken.
Das kannte ich noch nicht, es ist Sprudel mit einer Kugel Granita, in diesem Fall Zitrone. Sehr erfrischend. Wenn ihr versucht, es unter diesem Namen zu bestellen und es nicht klappen sollte, einfach erklären, was ihr wollt, dann funktioniert es.
Wir haben anschließend noch einen Abstecher zum Castel del Monte gemacht, denn schließlich wollten wir mal wissen, wie die Rückseite des italienischen Ein-Cent-Stücks in Live aussieht.
Auch hier mein Tipp: Spart Euch die 5 Euro Parkgebühren, indem ihr einfach den ersten kostenlosen Parkplatz nehmt. Von dort aus ist es nicht wesentlich weiter zu laufen. Piero gab uns den Tipp, nicht ins castello zu gehen, da es leer ist. Also haben wir es einmal umrundet und die schöne Aussicht in Richtung Meer genossen.
Nun aber fuhren wir endlich Richtung Potenza und damit Basilicata. Die Landschaft auf der Fahrt dorthin war eher nüchtern, viele Windräder und landwirtschaftliche Betriebe. Ab und an ging es einen Berg hoch, oben gab es dann eine Stadt. Nicht sehr aufregend. Als wir dann endlich in Richtung unseres Zielortes, Castelmezzano in den Dolomiti Lucane, abbogen, so etwa 15 Kilometer davor, änderte sich die Landschaft. Es wurde bergiger, grüner und unterschied sich erst einmal fast gar nicht von Umbria oder den Marche. Dann ein Tunnel und als wir diesen verließen, staunten wir nicht schlecht.
Bizarr geformte graue Steinfelsen mit den bunten Häusern des Ortes davor. Malerisch! Aber dann, als wir abends zum Essen in den Ort fuhren, waren wir erst recht überwältigt.
Der ganze Ort war wundervoll beleuchtet, und sogar die Felsen waren angestrahlt. Es ist einfach sehenswert.
Wir wohnten außerhalb, denn das centro storico ist natürlich für den Verkehr gesperrt. Pasquale empfing uns so als ob wir uns bereits ewig kennen. Schon das war sehr sympathisch. Und dass wir dann noch jeden Morgen eine torta, crostata oder köstliche Muffins zum Frühstück bekamen, war so richtig perfekt. Und vor allem lecker. Gut, dass wir nur sechs Nächte hier sind, sonst müßte ich erst einmal eine Diät einlegen. Und das ist in Italien bekanntlich nicht leicht. Die Gegend hier ist ohnehin ein kulinarisches Paradies. Es gibt zum Beispiel rote Paprika, getrocknet und dann knusprig gebraten,
viele Gerichte mit Pilzen oder Filet vom Podalica-Rind, schmackhaften Käse oder selbst hergestellte Pancetta. Die Aufzählung läßt sich fast unendlich fortsetzen. Wir essen gerne mal einfach nur antipasti mit den besten Speisen, die es hier gibt, und sind damit sehr gut gefahren.
Ausländischen Touristen begegnen wir hier nicht. Der Fremdenverkehr ist mehr oder weniger noch im Entstehen. Am Ortseingang werden wir von einem Guide persönlich begrüßt, der für Fragen zur Verfügung steht und uns den Weg zeigt. Ganz unaufdringlich mit einer Herzlichkeit, die für diese Ecke typisch ist. Man grüßt sich im Dorf und kommt miteinander ins Gespräch. Sei es mit der Postbotin oder dem netten Ladeninhaber, der Gegenstände aus Eisen fertigt, die fast schon antik aussehen.
Gleich gegenüber, mit dem Auto allerdings 15 Kilometer entfernt, liegt das Nachbardorf Pietrapertosa. Genauso schön in den Fels gebaut, nur etwas größer, auf 1.088 Metern Höhe. Hier gibt es eine Kirche und ein gut erhaltenes Castello – beide etwa 1.000 Jahre alt – mit grandiosen Ausblicken auf das Bergpanorama. Die beiden Dörfer, die zu den borghi più belli d’Italia zählen, sind mit einer besonderen Attraktion verbunden, dem volo dell’angelo.
Hierbei handelt es sich um zwei zwischen den Dörfern gespannte Seile, über die man im Engelsflug über eine 400 Meter tiefe Schlucht hinweg in 70 Sekunden von einem Dorf ins andere kommt. Bei maximalen 120 Kilometern pro Stunde und über einen Kilometer lang. Im Ticket ist der Hin- und Rückflug inkludiert und eine kleine Wanderung ist auch noch dabei. Das Abbremsen ist beim ersten Mal etwas merkwürdig, denn man schießt über das Ziel hinaus und wird dann erst gebremst. Insofern geht man den zweiten Flug viel entspannter an und hat richtig viel Spaß dabei. Eine tolle Idee, die süchtig machen kann.
Die beiden Dörfer Castelmezzano und Pietrapertosa sind der Mittelpunkt der Dolomiti Lucane. Nur hier sind die Felsformationen so ausgeprägt. Außen herum liegt der grüne, bewaldete Park mit vielen Wanderwegen. Für Kletterer gibt es auch einige beeindruckende Klettersteige hoch hinauf, auf und über die Felsen. Es lohnt sich auch einfach eine Autofahrt nach Accettura oder Oliveto Lucano. Die Straßen führen über wunderschöne Landschaften aus Wald und Wiesen, man begegnet immer mal wieder Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen. Alles ist sehr ruhig, sodass man bei langsamer Fahrt die Ausblicke in Ruhe genießen kann. Anhalten, um zu fotografieren, ist auch kein Problem, denn die Straßen sind wenig befahren. Man freut sich, sich zu sehen und findet immer einen Gruß oder sogar ein paar Worte.